Come together!
An der Universität Salzburg rumort es. Von den Plänen des Rektorats zur Strukturreform der PLUS zeigen sich, gelinde gesagt, nicht alle begeistert. Besonders die Philologien äußern Bestürzung über ihre geplante Zukunft – auch wenn Rektor Hendrik Lehnert die Situation in der Öffentlichkeit zu beschwichtigen versucht. Die Diskussion ist festgefahren, ein gemeinsamer Nenner bislang nicht gefunden. Dabei ist die Forderung einfach: eine kollektive Lösung.
Text: Alexandra Embacher & Simeon Koch
Für Matthias Heinz ist es eine Hiobsbotschaft. Im Vorschlag des Rektorats zur Strukturreform der Paris Lodron Universität Salzburg wird die Romanistik gemeinsam mit der Slawistik als ein Fachbereich geführt. „Ich konnte zunächst nicht glauben, dass das ernsthaft erwogen wird, gerade weil wir in den letzten Jahren so hart – und erfolgreich! – daran gearbeitet haben, uns gut für die Zukunft aufzustellen“, äußert Heinz seine Bestürzung über die Pläne. Erst im Mai in einem Gespräch mit dem Rektorat sei dem Fachbereich kommuniziert worden, dass sich das Budgetverhältnis zwischen Lehre und Forschung ziemlich ausgeglichen verhält. „Bei diesem Termin war auch noch kein Wort zu den Reformplänen zu hören. Diese wurden uns einige Wochen später eröffnet.“ Der Fachbereichsleiter der Romanistik sieht wenig Sinn darin, die beiden Philologien zu fusionieren, positive Synergie-Effekte seien nicht zu erwarten. Die Pläne würden die Salzburger Fremdsprachenphilologien gar zum Gespött der Fachwelt machen. Seine Sorgen habe er dem Rektorat mitgeteilt. Aber: „Das Problem ist, dass wir immer wieder den Eindruck hatten, dass unsere Argumente nicht gehört, jedenfalls nicht ernstgenommen werden.“
MUNDTOTE UNTOTE
Mit dieser Einschätzung ist Heinz nicht allein. Auch Peter Deutschmann, Leiter des Fachbereichs Slawistik, bemängelt angesichts der geplanten Fusion mit der Romanistik die Kommunikation des Rektorats: „Statt dass man irgendetwas gemeinsam erörtert oder abstimmt, wird von oben herab eine fragwürdige Lösung diktiert.“ Der Protest dieser beiden Philologien richte sich gegen die vom Rektorat geplante Fusionierung von Slawistik und Romanistik über die Köpfe der Betroffenen hinweg. Aus zwei Organisationseinheiten soll eine werden, auch Linguistik und Germanistik sollen diesem Beispiel folgen. Deren Studienvertretung prophezeit eine akute Gefährdung der jeweiligen Eigenständigkeit in einem „Frankenstein-Fachbereich“. Werden daraus administrative Monster ohne Mitspracherecht? Man wolle die Fächer durch Fusionen „stärken“, meldet das Rektorat vage. „Bis dato“ sei „keine substantielle Begründung geliefert“ worden, kritisiert Deutschmann, „trotz mehrfacher Nachfrage.“ Argumentiert werde mit einem „selbst herbeigerufenen Alarmzustand“, den Betroffenen das Mitspracherecht verwehrt.
ANHÖREN VS. ZUHÖREN
Rektor Hendrik Lehnert schätzt die Sachlage naturgemäß etwas anders ein, auch wenn er sich der Fehler in der Kommunikation bewusst ist. „Aber wir bitten schlicht und einfach darum, auch anzuerkennen, dass wir versuchen, das so optimal und so gut wie möglich zu machen“, hofft er auf Verständnis. Man habe „nicht das Gefühl, dass wir nicht gesprächsbereit sind und uns nicht mit allen ausreichend hinsetzen“. Eine befriedigende Antwort auf zentrale Kritikpunkte der zu fusionierenden Parteien ist das freilich nicht. Das Gespräch an sich stand nie im Mittelpunkt der Debatte, unter Studienvertreter*innen ärgere man sich zunehmend über das Anhören statt Zuhören. Positionspapiere und Stellungnahmen der Fachbereiche wurden bei der Ausarbeitung des aktuellen Organisationsplans nicht berücksichtigt. Für Lehnert sei der vorgelegte Plan aber ohnehin ein „Aufschlag“ und „alles, was an Anregungen kommt, nehmen wir nochmals dazu auf“. Schlichter Protest reiche dabei aber nicht. Gewünscht würden ausgereifte, überzeugende Konzepte. Ein grundlegendes Problem mit der Kommunikation des Rektors hat auch die Initiative Pro universitate, sie bemängelt die fehlende Bereitschaft zu professioneller und sachbezogener Kommunikation nach innen und außen: „Nach wie vor begegnet uns ein Kommunikationsverhalten, das durch Fehleinschätzungen, das Relativieren von Problemen, Floskeln und die Verweigerung inhaltlicher Diskussion sowie relevanter Unterlagen gekennzeichnet ist“, so die scharfe Kritik im Oktober.
„Statt dass man irgendetwas gemeinsam erörtert oder abstimmt, wird von oben herab eine fragwürdige Lösung diktiert.“
Peter Deutschmann, Leiter des Fachbereichs Slawistik
GEMEINSAM GEGEN DEN EXIT
Man wolle „möglichst viele Wünsche berücksichtigen“, versicherte Rektor Lehnert der uni:press und fügte an: „Die Universität ist ein komplett demokratisches Organ.“ Das Rektorat habe die „kritisierte Top-down-Kommunikation nachträglich einfach zu einem ‚Bottom-up-Prozess‘ umdeklarieren“ lassen, hält Pro universitate dagegen. Deren 81 Unterstützer*innen hatte Lehnert zuvor als „dezidierte Minderheit“ bezeichnet. Angesichts der etwa 800 Uni-Angestellten könne man „es auch andersrum formulieren: Über 90 Prozent sind mit unserem Kurs einverstanden“. Diese Argumentation verkenne „das Wesen einer Unterschriftenaktion“ und übergehe „geflissentlich die Tatsache, dass zum Beispiel wissenschaftliche Mitarbeiter*innen mit befristeten Verträgen gute Gründe haben mochten, sich nicht zu exponieren“, kontert Pro universitate. Lehnert versucht, zu beschwichtigen: „Wenn man mit vielen spricht, gibt es immer jemanden, mit dem man aus Versehen nicht gesprochen hat.“ Beim Hobeln fallen nun mal Späne – und die rieseln an der PLUS hörbar.
Frustration macht sich deswegen unter den 53 Fachbereichsmitgliedern der Romanistik breit. „Und das in einer Zeit, die uns durch vielerlei Herausforderungen, allen voran Covid-19, belastet“, verdeutlicht Matthias Heinz. Laut dem Soziologen Albert Hirschmann bieten sich Mitarbeiter*innen in solchen Situationen zwei Alternativen: Exit und Voice. Scheitert der Versuch, die eigene Stimme einzubringen (Voice), bleibt als einziger Ausweg der Exit aus der Organisation. Ein Brain-Drain nicht linientreuer Angestellter, deren Anliegen ignoriert werden.
„Also ich glaube, dass die ganz große Chance für Salzburg darin besteht, dass wir einen Teamgeist über die gesamte Universität bekommen“, betonte Lehnert gegenüber der uni:press. Als fundamentalste Bedingung für eine solche Identifikation mit der gemeinsamen Sache identifizierte Hirschmann einen gleichberechtigten Meinungsaustausch: In offenen Diskursen akkumuliertes Wissen optimiert interne Abläufe. Gesammelte Erfahrung langjähriger Mitarbeiter*innen sollte bei Reformplänen zuallererst konsultiert werden. Vor allem dann, wenn leitende Positionen neu besetzt werden. Auch Rektor Lehnert scheint nun diesen Weg gehen zu wollen: „Es wird in nächster Zeit nochmals alles diskutiert werden“, kündigt er an. „Das heißt, jede*r, der*die bis jetzt noch nicht beigetragen hat, hat die Möglichkeit, nochmals beizutragen.“
„Das Problem ist, dass wir immer wieder den Eindruck hatten, dass unsere Argumente nicht gehört, jedenfalls nicht ernstgenommen werden.“
Matthias Heinz,
Leiter des Fachbereichs Romanistik
Foto: Andreas Kolarik
MITSPRACHE ALS PULL-FAKTOR
Gegenüber der Wirtschaftskammer erklärte Lehnert, der „sehr offene Geist der Kooperation“ an der Paris Lodron Universität Salzburg habe ihn bestärkt, hierherzukommen. „Denn was wir wirklich brauchen hier, ist die Öffnung der Universität.“ Ein Versprechen, das die Philolog*innen nun einfordern. Eine demokratische Gesprächskultur entsteht nur durch Einbindung aller – der kleineren und größeren Fachbereiche. Dabei ist es gerade die gesunde, demokratische Struktur, die ein bedeutender Pull-Faktor für Studierende und Wissenschaftler*innen sein kann. Daher: Mitspracherecht für alle. Auch Kritiker*innen muss zugehört werden. Wie unbequem deren Meinungen auch sein mögen. So lässt sich die Attraktivität der Universität nachhaltig steigern – Lehnerts erklärtes Ziel. Ein gemeinsamer, gleichberechtigter, ernst gemeinter Diskurs muss her. Die Beatles geben die Richtung vor: Come together!