Umstrukturierung

Resilient oder verunsichert?

Das Leben ist voller Veränderungen. Einige sind entschiedener, andere weniger. In mancher Hinsicht sind wir jedoch zunehmend widerstandsfähiger. Aber wann ist es richtig, sich zu ändern, und wann sollte man seine Position beibehalten?

Meinung von Andrea Perasso

Die philosophische Debatte hat sich oft auf das Thema des Wandels konzentriert. Heraklit meinte, dass alles fließt. Nietzsches Übermensch ist derjenige, der sich bewusst für Veränderungen einsetzt. Neben diesen philosophischen Grübeleien ist das Thema des Wandels aber auch pragmatisch in den Tiefen der Gesellschaft verwurzelt. Klimawandel, Regierungswechsel sowie Veränderungen, die das Coronavirus mit sich gebracht hat, sind nur die Spitze eines Eisbergs, der in unser tiefstes Unbewusstes eindringt. Zu sehen, wie sich jederzeit etwas ändert, kann sicherlich schockierend sein. Menschen mögen es, sich sicher und geschützt fühlen. Das ist hinlänglich bekannt. In letzter Zeit haben Politiker*innen auf der ganzen Welt Argumente wie die Sicherheit der Bürger*innen oder den Schutz von denen vor mehr oder weniger wahrheitsgemäßen Bedrohungen verwendet. Und die politischen Ergebnisse zeigen eine gewisse Wirksamkeit dieser Art von Rhetorik. Salvini und Trump docent. 

Eine Veränderung bringt in der Regel eine gewisse Unsicherheit mit sich. Wir wissen nicht, welche Auswirkungen dies auf unser Leben haben wird, so wie wir auch nicht wissen, was dieser besondere Wandel mit sich bringen wird. Vielleicht wäre es dann zutreffender zu sagen, dass es nicht so sehr der Wandel ist, der uns Angst macht, sondern die Unsicherheit. Aber die Unsicherheit worüber? Die Unsicherheit, nicht alles geplant zu haben, keine genaue Vorstellung davon zu haben, wie die Dinge ablaufen werden. Wir sind daran gewöhnt, jeden haarkleinen Aspekt unseres Lebens an einem Faden festzuhalten. Wir betrachten uns selbst als dieses Nonplusultra, das in der Lage ist, das Gleichgewicht und die Ordnung der Elemente zu steuern. Beginnen wir also mit Spekulationen über die Natur, über soziale Minderheiten, die durch globalen Perspektiven beeinträchtigt werden und überhaupt nicht auf Inklusion ausgerichtet sind. Und weiter zu Experimenten, die darauf abzielen, uns als die Herrschenden der Welt zu definieren, zur Bestrebung nach diesem begehrten Fortschritt. All dies macht uns sicher. Es gibt uns dieses Gefühl der Beherrschung und des Siegs über das Prekarität. 

Die Ereignisse ihren Lauf nehmen zu lassen, ist nicht immer gleichbedeutend mit Passivität und mangelndem Unternehmungsgeist.

Und dann brechen wir im Moment des Wandels oft zusammen. Wir wissen nicht, wie wir handeln sollen, wir haben keine weitsichtige Vorstellung davon, was passieren kann. Hier liegt das Problem des Wandels. Wir wissen nicht, wie wir es angehen sollen. Obwohl wir täglich mit Veränderungen konfrontiert sind. Die Ereignisse ihren Lauf nehmen zu lassen, ist nicht immer gleichbedeutend mit Passivität und mangelndem Unternehmungsgeist. Ein*e Zuschauer*in des mysteriösen Zeitgeistes zu sein, erfordert oft die Fähigkeit, sich an Veränderungen anzupassen. Und das ist vielleicht das, was wir jetzt am meisten verlangen. Sich anpassen zu können, verschiedene Ideen in die eigene Vision einfließen zu lassen. Sowohl in allgemeineren Bereichen als auch in kleineren Bereichen. Vielleicht sollten wir sogar an dieser Stelle anfangen. Zuerst das Kleine, um dann das Große zu ändern. Und vor allem sollten wir hinterfragen, ob wir uns dem Wandel nicht deshalb stellen wollen, weil es uns wirklich bewusst ist, was uns erwartet, oder ob wir einfach das Unbekannte fürchten. 

Titelbild: Shutterstock / Andrea Schernthaner
Dieser Artikel ist im PUNKT. 02/20 erschienen.