Der PUNKT

Kein Baum wächst gerade

Wir alle stellen uns irgendwann die Frage: Wie geht es nach dem Studium weiter? Das Interview mit Angelina Inama macht Mut. Sie zeigt, warum es sich lohnt sich auszuprobieren, etwas zu wagen und auf die innere Stimme zu hören. 

Text: Verena Kattinger

Angelina Inama ist selbstständige Yogalehrerin und Mutter eines Sohnes. Sie unterrichtet und veranstaltet zusätzlich verschiedene Yoga-Events mit Gastlehrer*innen, wie beispielsweise Workshops, Fortbildungen und Ausbildungen in und um Salzburg. Ihr Weg dorthin war jedoch alles andere als geradlinig. Als Jugendliche wollte sie Tierärztin oder Turnierreiterin werden. Letzteres probierte sie nach ihrem Schulabschluss eine Zeitlang aus. Relativ schnell merkte Angelina, dass es nicht so war, wie sie sich es anfangs vorgestellt hatte. Also drückte sie erneut die Schulbank, um doch noch maturieren zu können.

Sie brach jedoch erneut ab und probierte stattdessen vieles aus: Sie arbeitete im Verkauf, in der Gastronomie und dann in der Hotellerie. Später war sie lange als Büroleiterin tätig. Angelina hat sich quasi ohne Studium, rein durch gute Referenzen, hochgearbeitet. Zuletzt hat sie im Sales Management für Hotels gearbeitet. Parallel machte sie eine Lehre als Masseurin, verlor dann jedoch wieder das Interesse daran.

Nachdem Angelina unter starken Rückenproblemen litt und wusste, dass sie etwas für ihre Gesundheit tun muss, begann sie an Pilates Kursen teilzunehmen. Da ihr das viel Freude bereitet hatte, machte sie daraufhin eine Ausbildung zur Pilates-Lehrerin. Um den fehlenden Anatomie-Aspekt auszugleichen, fing sie für ein Jahr eine Heilpraktiker*innen-Ausbildung an, schloss diese aber nie ab. Auf der Suche nach einer anderen, gleichwertigen Ausbildung wurde sie in der Spiraldynamik fündig, die kombiniert mit Yoga angeboten wurde. Sie wusste erst nicht, ob Yoga etwas für sie sei, da sie sich nicht als sonderlich spirituell empfand. Dennoch fing Angelina an, Yoga Unterricht zu nehmen und nach einem Jahr begann sie ihre Yoga- und Spiraldynamik-Ausbildung. Im Interview berichtet sie nun über Selbstständigkeit, Berufung und Sinn des Lebens.

Credit: Niko Zuparic

PUNKT.: Angelina, wenn du deinen heutigen Beruf mit deinen damaligen Beschäftigungen vergleichst, was sind deiner Meinung nach die größten Unterschiede?
Angelina Inama: Die größten Unterschiede sind, dass ich nun etwas gefunden habe, was mich langfristig begeistert und mein ganzes Leben ausfüllt. Mittlerweile muss ich sogar aufpassen, dass ich in meiner Freizeit etwas anderes als Yoga mache. Obwohl ich ein relativ begeisterungsfähiger Mensch bin, war ich relativ schnell gelangweilt von meinen vorherigen Jobs, oder mit den Führungspersonen nicht einverstanden.

War es leicht, dich selbstständig zu machen?
Ich glaube, dass es den jungen Selbständigen, den Kleinunternehmer*innen in Österreich, nicht leicht gemacht wird. Es werden sehr viele Steine in den Weg gelegt. Es ist ein großes finanzielles Risiko, das man bereit sein muss, auf sich zu nehmen. Die Konsequenz ist, dass man viele Schulden macht. Für mich gibt es jedoch keine Alternative. Ich mache weiter und es funktioniert.

Bist du im Nachhinein zufrieden mit all den Entscheidungen, die du getroffen hast? Du hast sicherlich von all den Berufen viel für dich mitgenommen und gelernt?
Ja absolut! Wenn mein Vater damals in Sorge um mich war, habe ich ihm immer gesagt: „Papa eines Tages wird das alles einen roten Faden ergeben.“ Und das glaube ich auch. Nach wie vor organisiere ich Workshops, ich bin so gerne Gastgeberin. Das habe ich sicher aus der Gastronomie und Hotellerie mitgenommen. Dass ich gerne im Büro an meinem Schreibtisch sitze und arbeite, kommt sicher von meinen Bürotätigkeiten. Yoga und meine Liebe für die Anatomie und Ausrichtung sind aus meinen Versuchen der Massage oder Heilpraktiken entstanden. Im Endeffekt hat alles Sinn gemacht.

„Papa eines Tages wird das alles einen roten Faden ergeben.“

Angelina Inama

Was möchtest du Berufseinsteiger*innen mitgeben?
Gut informieren, perfekt ist es niemals. Wenn ich darauf warte, bis ich alles organisiert und geplant habe, werde ich nie beginnen. Wenn man vorhat, sich selbstständig zu machen, ist das wichtigste, dass man einfach startet. Gleichzeitig soll man sich bei der Wirtschaftskammer, Steuerberater*in und bei allen möglichen Adressen Informationen einholen, denn dieses System hält für junge Selbstständige viele Fallstricke bereit. Da muss man auf jeden Fall aufpassen. Abgesehen davon, finde ich es sehr wichtig, dass jede*r seiner Bestimmung und Berufung folgt. Weil, worum geht es am Ende des Lebens?

Wie findet man seine Berufung?
Ich glaube, prinzipiell ist es ein Herausfinden von dem, für das man brennt. Oft hat das auch etwas mit Hobbys zu tun, oder den Dingen, die einen interessieren. Es gibt aber auch Dinge, für die man brennt, aber in denen man nicht gut ist. Deswegen muss man auch herausfinden, was man kann. Das ist der Weg. Ich glaube, dass es heutzutage mit den vielen Möglichkeiten dauert. Meinen Weg habe ich mit dreißig gefunden und glaube, dass es gesellschaftlich etabliert gehört, dass wir uns lebenslang verändern dürfen und das auch anerkannt ist. Das war zu meiner Zeit nicht so, aber das wird es immer mehr. Ich glaube nur, dass es wichtig ist, sich keinen Druck zu machen. Es gibt keine fertige Passion, es gibt keine fertige Berufung. Selbst in dem was ich tue, werde ich mich wahrscheinlich ewig weiterentwickeln. Traut euch und macht Erfahrungen! 

Was ist in deinen Augen der Sinn des Lebens?
Es gab zwar keinen speziellen Anlass, aber ich hatte immer diese Frage im Kopf – was passiert, wenn ich morgen sterbe? Was ist der Sinn des Lebens? Für mich habe ich eine Antwort gefunden: Der Sinn des Lebens ist, dass ich das Leben lebe. Dass ich Gelegenheiten nicht verstreichen lasse, wenn ich sie erkenne. Dass ich liebe, dass ich leide, dass ich alles tue, um mein, für mich bestes zu tun und über mich hinauswachse. Im Prinzip geht es darum, dass der Sinn des Lebens zu leben ist – im guten Sinne, nicht im passiven und unbewussten Sinne. Wenn ich morgen sterbe, habe ich dann wirklich gelebt? Habe ich das gemacht, was mich mit Freude erfüllt? Oder habe ich meine Zeit abgesessen und mich von äußeren Umständen diktieren lassen?

Wenn ich morgen sterbe, habe ich dann wirklich gelebt?

Angelina Inama

Das Thema des PUNKT. ist diesmal „Haben wir die Wahl?/ Wir haben die Wahl!“. Würdest du sagen, dass wir die Wahl haben, den Beruf auszuüben, der uns Freude bereitet?
Dazu gibt es zwei Ebenen. Die eine Ebene ist unser soziales Umfeld. Wenn ich in einer akademischen Familie groß geworden bin, wird eine entsprechende Laufbahn gewünscht. Und so hat mein Umfeld auf Grund der eigenen subjektiven Erfahrungen Erwartungen an die jungen Menschen. Wenn ich mich davon nicht beeinflussen lasse, dann kann ich alles machen, was ich will.

Es gibt mittlerweile alle Möglichkeiten. Natürlich gibt es Dinge, die finanziell eingeschränkt werden. Aber ich glaube, dass sich immer Lösungen finden, oder sich die Alternativen als besser herausstellen. Ich glaube an einen höheren Sinn, dass wir irgendwie geleitet werden. Dass das für uns Richtige immer zu uns kommen wird, wenn wir offen bleiben. Ich kenne Menschen, die viel gewechselt haben und komplett unterschiedliche Berufs-Branchen gewählt haben, oder sich mit vierzig, fünfzig komplett neu orientiert haben.

Wenn wir es von dieser Seite betrachten, glaube ich, dass wir alle Möglichkeiten haben. Die zweite Ebene und wahrscheinlich einzige Einschränkung entsteht in unserem Kopf. Ich glaube, dass es wichtig ist, sich weg von den gesellschaftlichen Normen, breit gefächert auszuprobieren. Im Großen und Ganzen gibt es kein Richtig und Falsch. Jedes Mal, wenn du auf dein eigenes Herz hörst, auf deine Intuition, dann machst du Lebenserfahrung. Das ist das Leben.

Das Interview ist im PUNKT. 01/20 erschienen.