Der PUNKT

Mehr Energie?

Jede*r hat es. Ein ganz persönliches „Guilty Pleasure“. So nennt man ein Laster, das einem sehr wohl bewusst ist, auf das man aber beim besten Willen nicht verzichten mag. Das gilt leider auch für Energydrinks.

Im Alltag verankert

Für Kurt (Name von der Redaktion geändert) sind Energydrinks eines seiner Laster. Warum konsumiert er die Getränke? „Der Hauptgrund ist, dass mir die Drinks schmecken.“ Bei heißeren Temperaturen greife Kurt zudem vermehrt zu Energydrinks, da sie in diesem Fall als Ersatz für Kaffee gut wären. Der Markt für Energydrinks ist groß, denn Fans wie Kurt gibt es viele. Im Gang durch den Supermarkt begegnet man unzähligen Marken und Geschmacksrichtungen. Da gibt es den Hersteller, welcher den Konsument*innen die Möglichkeit des Fliegens verspricht, die budgetfreundliche Variante oder die Bestie in Energydrinkgestalt.

Ein Faktor, der für den Konsum der mutmaßlich energiesteigernden Getränke spricht, ist der auf eine Dose gerechnete Preis. Dieser liegt im günstigen Segment unter einem Euro und ist somit für jede*n leistbar. Zudem haben sich die Energiegetränke heute im Alltag vieler Studierenden als begleitende Helfer*innen erwiesen. Falls etwa der unwahrscheinliche Fall eintritt, dass man vor einer Prüfung den Stoff (wieder einmal) unterschätzt hat, greifen nicht Wenige zum Wachmacher in Dosenform zurück, um noch so lange wie möglich büffeln zu können. Auch am Tag der Prüfung nutzen dann einige einen Energydrink, um die volle Leistung erbringen zu können.

Und auch in gewöhnlichen Kursen sieht man im Hörsaal die ein oder andere Dose als Unterstützung gegen das Schlafhormon Melatonin stehen. Auch Kurt hat im ein oder anderen Kurs einen Energydrink gegen die Schläfrigkeit dabei. Doch nicht nur an der Uni spielen die Drinks eine Rolle. Beim Fortgehen und Feiern sind die energiebringenden Getränke schon lange ein fixer Bestandteil von gut sortierten Bar-Karten. Gemischt mit Vodka oder in Form eines Flying Hirsch haben sich mit Energydrinks gemixte alkoholische Getränke bereits etabliert. Nicht zuletzt kann man bei einigen Autofahrer*innen eine der Dosen im Handschuhfach finden. Denn auf langen Fahrten werden die Augen irgendwann müde. Der Energydrink ist daher in zahlreichen fahrbaren Untersätzen als vermeintlicher Muntermacher mit von der Partie.

Energydrinks haben ein hohes Suchtpotential

Doch wieviel helfen die Drinks in Wirklichkeit und ist ihr Ruf als Energiebringer überhaupt gerechtfertigt? Der PUNKT. hat bei Sarah Stockner nachgefragt. Die 32-Jährige ist Ernährungsberaterin und Expertin für gesunde Ernährung. Sie findet den Konsum von Energydrinks äußerst bedenklich. Die Zahl übergewichtiger Jugendlicher sei in den letzten Jahren sehr stark gestiegen. Das hänge auch mit dem Konsum der Drinks zusammen. Stockner weiß auch, was ein Energydrink mit dem Körper macht. „Der Zuckergehalt in diesen Drinks ist extrem hoch. Dabei ist Einfachzucker enthalten, das heißt der Blutzuckerspiegel steigt schnell, Insulin wird freigesetzt und der Zucker wird schnell abgebaut.“

„Der Zuckergehalt in diesen Drinks ist extrem hoch.“

Sarah Stockner, Ernährungsberaterin

Das bedeute, dass der Blutzuckerabfall auch dementsprechend schnell komme und das kurze „Hoch“ wieder enden würde. Die Folge: Der Bedarf an einem neuen Energy-Kick steigt wieder. „Somit steigt auch das Suchtpotential“, so die Ernährungsberaterin. Ein Effekt, den auch Kurt kennt. Er erzählt dem PUNKT., dass sein starker Energydrink-Konsum viel mit Gewohnheit zu tun hat. „Ich trinke schon fast routiniert Energydrinks.“ Beispielsweise nehme er nach dem Tanken in 95 Prozent der Fälle noch einen Drink aus der Tankstelle mit. „Auch wenn ich eigentlich gerade keinen möchte“, so Kurt selbstreflektierend. 

Zu wenig Aufklärung und zu viele negative Effekte

Die weitverbreitete Annahme, dass die zuckerfreien Varianten von Energydrinks gesünder sind, ist falsch. Stockner meint dazu: „Sie versprechen zwar kalorienarm bzw. kalorienfrei zu sein, jedoch sind sie mit sogenannten Süßstoffen gesüßt.“ Diese hätten zwar wirklich keine Kalorien, würden aber unseren Körper täuschen, weil er diese Stoffe nicht kennt. Die Folge ist, dass der Organismus auf die Süßstoffe wie auf Zucker reagiert und den Insulinspiegel anpasst, obwohl gar kein Zucker zugeführt wurde. Umso mehr steige in relativ kurzer Zeit der Bedarf an einem neuen Drink. „Es wäre besser die Drinks mit normalen Einfachzucker zu konsumieren, dafür aber die Quantität zu verringern“, mahnt Stockner.

„Energydrinks geben schnell einen sichtbaren Effekt und sind praktisch zum Mitnehmen.“

Sarah Stockner, Ernährungsberaterin

Aus welchen Gründen viele Menschen Energiedrinks überhaupt konsumieren, bringt sie auf den Punkt. „Energydrinks geben schnell einen sichtbaren Effekt und sind praktisch zum Mitnehmen.“ Außerdem würden sie (aufgrund der vielen Geschmacksverstärker) gut schmecken, für jeden Geschmack sei etwas dabei. Die gebürtige Südtirolerin befürchtet, dass die möglichen Gefahren infolge eines zu hohen Konsums von Energydrinks oft unterschätzt werden.

Der Konsum der Drinks wäre momentan sehr im Trend, jedoch wäre niemand wirklich darüber aufgeklärt, was er oder sie zu sich nimmt. „Man wird davon in den nächsten Jahren bestimmt die Folgen bemerken“, fügt Stockner hinzu. Dazu zählen etwa die langfristig noch unbekannten Auswirken von den in Energydrinks enthaltenen Süßungsmitteln. Süßstoffe wie Acesulfam oder Aspartam haben laut Stockner nämlich vermutlich schädigende Wirkungen auf den menschlichen Körper. „Ich sehe eine Gefahr, wenn nicht bald mehr Aufklärung betrieben wird“, warnt sie. Aufgrund der schnelllebigen Gesellschaft ist sich die Ernährungsexpertin sicher, dass der Konsum auch weiterhin relevant bleiben wird. „Wir müssen in kürzerer Zeit mehr leisten und stellen den Genuss oft hinten an.“ 

Es gibt viele Alternativen

Energydrinks sind also vor allem eines – ungesund für den Körper. Doch gibt es auch gesunde Alternativen zu Energydrinks? Die gäbe es natürlich, so Stockner gegenüber dem PUNKT. Auf der einen Seite wäre es der gesunde Smoothie, welcher zum Großteil eher aus Gemüse statt aus Obst bestehen sollte. Smoothies mit Brokkoli, Grünkohl oder Leinsamen würden den Körper noch zusätzlich entgiften, verrät uns die Ernährungsberaterin. Auch in ihrer puren Form zeigen Obst und Gemüse übrigens ihre energiesteigernde Wirkung. „Ansonsten gibt es noch Kräutertees mit aktivierenden Substanzen (z.B. Grüntee) und Ingwer-Zitronen-Wasser.“ Auch Kaffee wäre eine geeignete Alternative. Dieser sollte jedoch im Idealfall ungesüßt sein. Nicht zuletzt kann auch Mate-Tee als Energydrink-Ersatz verwendet werden. Die Alternativen zu Energydrinks sind also zahlreich. Und was noch wichtiger ist: Sie bringen trotz Energiesteigerung keine negativen Folgen für den Körper mit.

Die negativen Eigenschaften von Energydrinks werden noch immer von Vielen nicht wahrgenommen oder einfach ignoriert. Auch die großen Hersteller informieren ihre Konsument*innen nicht ausreichend über mögliche Risiken. Auf deren Websites und Produkten finden sich keinerlei Warnhinweise bezüglich möglicher Auswirkungen auf den Körper oder das Suchtpotential. Vom PUNKT. auf die fehlenden Hinweise angesprochen, gab es von zwei namhaften Herstellern keine Rückmeldung. Red Bull verwies immerhin auf die Website von EDE, dem Wirtschaftsverband für Energy Drinks auf europäischer und internationaler Ebene, wollte unsere Fragen aber auch nicht beantworten. Den Konsument*innen bleibt die Auseinandersetzung mit dem Thema also weiterhin selbst überlassen. Am Ende ist es wie bei so vielen anderen Guilty Pleasures. Hin und wieder sollte man den eigenen Konsum bewusst hinterfragen.

Text und Foto: Jonas Danko
Dieser Artikel ist im PUNKT. 01/19 erschienen.