Klartext, bitte!
Zwei, die oft nicht einer Meinung sind, an einem Tisch: ÖH-Vorsitzende Keya Baier und PLUS-Rektor Hendrik Lehnert schenken reinen Wein über ihre Einschätzung zur Ökonomisierung von Bildung, Kommunikation von beiden Seiten und demokratische Mitsprache an der Universität ein.
Interview: Alexandra Embacher
PUNKT.: Warum hat das Rektorat im Frühjahr 2020 im Alleingang begonnen, einen Reformplan für die Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS) zu entwickeln?
Hendrik Lehnert: Das Rektorat war im Frühjahr 2020 ungefähr ein halbes Jahr im Amt und hat sich in dieser Zeit intensiv mit den Strukturen und Bedingungen an der PLUS auseinandergesetzt. Wir haben viele Strukturen gesehen, von denen wir überzeugt waren, dass wir Sie ändern müssen. Deswegen haben wir einen Weg gesucht, in Diskussionen mit allen Beteiligten eine neue Struktur, die ganz klar inhalts- und wissenschaftsgeleitet ist, zu entwerfen. Daher war dieser neue Strukturvorschlag auch kein Alleingang. Irgendwo müssen Ideen entstehen, das ist völlig klar. Aber man braucht natürlich für diese Partner – und dazu haben wir beginnend mit dem Frühjahr 2020 Gespräche mit allen Fachbereichen geführt. Das Ergebnis daraus war der Strukturvorschlag in der ersten Augusthälfte.
Kann nach einem halben Jahr schon beurteilt werden, was verändert werden soll?
Lehnert: Ich glaube ja. Es hängt natürlich auch sehr viel von der Denkweise, von der Erfahrung, die man hat, ab. Wie analytisch man an Strukturen geht. Aber nach einem halben Jahr sollte man definitiv dazu in der Lage sein – zumal wir keine Neulinge im Universitätsgeschäft sind und auch Rektoratsmitglieder involviert sind, die die Universität seit vielen, vielen Jahren kennen.
Weil Sie bei Universitätsgeschäft waren: Inwiefern soll eine Universität wie ein Unternehmen geführt werden?
Lehnert: Für mich ist der Begriff Unternehmen gar nicht so negativ. Ich würde eine Universität aber nie als Firma bezeichnen. Ich habe auch nicht primär den kaufmännischen Blick auf die Dinge. Aber der Begriff Unternehmen beinhaltet auch immer, dass man etwas unternimmt, dass man etwas nach vorne bringt und das auch nach sehr klaren Regeln tut. Aber ganz klar ist eine Universität für mich primär eine Wissenschaftsorganisation, eine Institution für Lehre und Forschung. Aber dass diese auch nach unternehmerischen Regeln funktionieren sollte, und damit meine ich wirklich Engagement, etwas bewegen und sich auch natürlich an budgetäre Vorgaben halten, das ist ok und das halte ich auch für vereinbar.
Eine Kritik der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) ist, dass die Universität nicht wie ein Unternehmen geführt werden soll.
Keya Baier: Wir erkennen durchaus an, dass durch die derzeitigen gesetzlichen Vorgaben gewisse ökonomische Gegebenheiten erfüllt werden müssen. Das System der Universitätsfinanzierung ist ein klar leistungsorientiertes. Die Universität kann schlecht sagen, da machen wir einfach nicht mit – das ist schon richtig. Aber wir vermissen die grundsätzliche systematische Auseinandersetzung mit dieser Universitätsfinanzierung, die Auflehnung dagegen. Die Universität Salzburg sollte ein Player sein, der sagt, mit diesem System können und wollen wir nicht leben. Wir vermissen ein Bekenntnis zur Diversität des Studienangebots, wir vermissen den klaren Willen auch die kleineren Fächer, auch die weniger geldbringenden, zu unterstützen und dafür mehr Interesse bei Studienwerber*innen zu wecken. Stattdessen zeigen wir in dieser ganzen Umstrukturierung klar den Willen, nur die großen Bereiche zu fördern, die schon viele Leute anziehen. Solche, die vor allem viele Drittmittel einwerben. Das ist in unseren Augen schlicht der falsche Weg.
In der Positionierung zum Organisations- und Entwicklungsplan vom 11. November 2020 äußern Sie, Frau Baier, harsche Kritik, der Entwicklungsplan habe hübsche Worte und wenig Inhalt. Was hätte sich die ÖH konkret gewünscht?
Baier: Wir hätten uns insbesondere im Bereich der Lehre sehr viel mehr konkrete Vorhaben gewünscht. Das ist ein irrsinnig kurzes Kapitel, das zeigt, dass der Stellenwert der Lehre und der Studierenden im Gesamtbild der Universität offensichtlich nicht besonders groß ist. Das ist sehr schade. Da hätte es diverse konkrete Vorhaben und Maßnahmen gebraucht, die man durchaus in den Plan hineinschreiben hätte können. Stattdessen besteht dieses Kapitel aus vielen leeren Worthülsen, hübschen Worten. Das zieht sich so auch über den restlichen Entwicklungsplan: Wir sehen viele gute Ansätze, das ist gar nicht so das Problem. Im Grundsatz sind das gute Ideen, die dann aber mit wenig konkreten Vorhaben gefüllt sind. Das ist in unseren Augen keine Grundlage, auf der wir die Zukunft der Universität in den Jahren, die den Entwicklungsplan betreffen, planen können.
Wollen Sie auf die Kritik antworten?
Lehnert: Ja, gerne. Ganz wichtig zu sagen ist, was ein Entwicklungsplan ist und was die anderen Instrumente sind, mit denen die Universität kommuniziert. Wir haben den Entwicklungsplan, die Leistungsvereinbarung und die Wissensbilanz – das sind die drei großen Instrumente. Ein Entwicklungsplan ist immer allgemeiner und bewegt sich auf einem höheren Abstraktionsniveau. Die konkreten Vorhaben gehen alle in die Leistungsvereinbarung. Ich glaube auch, dass es ein schlechter Rat an die Universitätsleitung wäre, einen Entwicklungsplan abzugeben, der ganz viele kleinteilige, konkrete Ziele hat. Die gehören in die Leistungsvereinbarung, die dann auch noch universitätsweit diskutiert wird. Im Entwicklungsplan wird das größere Bild skizziert.
Baier: Das ist richtig. Allerdings ist in unseren Augen ein Entwicklungsplan trotzdem auch das Instrument, um konkrete Vorhaben zu schildern. Natürlich nicht so kleinteilig. Aber im Grunde genommen, soll er ein Ziel schildern, wo wir mit der Universität in den Jahren, die das betrifft, hinwollen. Und das tut dieser Entwicklungsplan einfach zu unkonkret. Und zum Prozess: Es ist an anderen Universitäten, zum Beispiel an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien gang und gäbe, dass jedes einzelne Kapitel von den Organisationseinheiten, die es betrifft, geschrieben wird und dann mit dem Rektorat sowie anderen Beteiligten besprochen wird. Ich frage mich, warum wir das nicht so machen? Warum wird hier in im Endeffekt geheimen Sitzungen ein Entwicklungsplan geschrieben, der dann der Universität ohne Erklärungen und Zahlen vorgelegt wird? Das ist kein besonders partizipativer Prozess.
Lehnert: Das stimmt so wirklich nicht. Die Kernkapitel im Entwicklungsplan sind aus den Fakultäten herausgekommen. Das ist mit ihnen abgestimmt, von uns aufgenommen und übernommen worden. Und auch die anderen Teile, wie Nachhaltigkeit und Gleichstellung, sind in jeweils enger Abstimmung mit allen Beteiligten verfasst worden. Vielleicht nicht genug, es ist nie genug – aber das war aus unserer Sicht schon sehr partizipativ.
Besonders die Zusammenlegung der Fachbereiche Romanistik und Slawistik sowie Germanistik und Linguistik stößt, unter anderem bei den Studienvertreter*innen, sauer auf. Warum hört das Rektorat nicht mehr auf die Erfahrung der Personen aus den betroffenen Bereichen?
Lehnert: Es wird in nächster Zeit nochmals alles diskutiert werden. Das heißt, jede*r, der*die bis jetzt noch nicht beigetragen hat, hat die Möglichkeit, nochmals beizutragen. Es liegt in der Natur der Sache, dass man immer irgendjemand am Ende des Tages nicht ausreichend hört oder übersieht. Ich glaube, das ist leider ein normaler Prozess. Daher ist das, was wir vorgelegt haben, ein Aufschlag und alles, was an Anregungen kommt, nehmen wir gerne auf. Das gilt natürlich auch für die genannten Fachbereiche – wir bekommen es mit, wie hoch die Diskussionsbereitschaft zu diesem Thema ist, nehmen es ernst und vereinbaren Gesprächstermine. Die Position des Rektorats ist aber keine ganz naive: Wir haben uns natürlich angesehen, wie die derzeitigen Bedingungen sind. Wir erfinden hier nicht etwas, das vollkommen unmöglich ist. Ich verstehe aber, dass man sich an eine Situation, die seit vielen Jahren so ist, gewöhnt hat. Aber ganz klar: Wir erwarten auch nicht nur schlichten Protest sondern auch richtig, richtig gute Konzepte. Und wenn wir ein Konzept sehen, das inhaltlich gut begründet, dass unser Vorschlag inhaltlich nicht ideal ist, dann sind wir die ersten, die einem super Konzept folgen.
Baier: Aber genau das ist passiert: Es wurden Konzepte, Positionspapiere und Stellungnahmen vorgelegt. Ich finde es seltsam, zu behaupten, es gäbe keine Diskussionsbereitschaft von diesen Fachbereichen. Das würde ich so nicht ausdrücken. Diese Fachbereiche und Beteiligte daraus haben sich dezidiert gegen diese Zusammenlegungen ausgesprochen. Und das auch aus guten Gründen und mit guten Argumenten. Es ist gut, dass es jetzt noch eine Diskussionszeit gibt – ich hoffe, die Gespräche werden dann auch dementsprechend offen geführt. Aber es hieß auch nach dem letzten Strukturkonzept, das im Sommer gekommen war, dass das Ganze breit diskutiert werden soll. Dann wurden auch Stellungnahmen eingeschickt und trotzdem sind jetzt die meisten zentralen Punkte gleichgeblieben. Dann frage ich mich, wenn jetzt wieder diskutiert wird und Stellungnahmen mit guten nachvollziehbaren Argumenten abgegeben werden, wird das dann wieder ignoriert?
Lehnert: Nein, das sagte ich bereits. Ich möchte aber auch gerne überzeugt werden. Und bisher, das muss ich wirklich gestehen, bin ich es nicht wirklich. Denn Protest und zu sagen, dass ich etwas nicht will, ist die eine Seite, die auch wichtig ist. Noch wichtiger ist für mich jedoch, dass ich ein Konzept, das mich überzeugt, dass sich ein Fachbereich ein Stückweit neu erfindet und sagt, den Weg gehe ich, erhalte. Das habe ich bisher vermisst.
Zusammengefasst liegt die Bringschuld bei den Fachbereichen?
Lehnert: Da liegt sie auch. Aber unsere Aufgabe ist es natürlich, die Strukturen zu ermöglichen, innerhalb derer sich die Fachbereiche entwickeln. Das sehe ich als meine Aufgabe an. Ich bin kein Revisor, der durch die Universität geht und zählt, was alles geschafft wurde. Unsere Aufgabe ist zu 99 Prozent die Strukturen zu schaffen, die es den Fachbereichen ermöglichen, sich so optimal wie möglich zu entwickeln. Dass die Strukturen dann diskutiert werden und nicht jedem*jeder gefallen, das ist eine andere Geschichte. Unsere Aufgabe ist es, das Modell zu entwickeln. Aber dann ja, ab dem Zeitpunkt.
Rückendeckung für die Strukturpläne kommt es unter anderem von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP). Warum fällt es der ÖH so schwer, Positives in den Plänen zu erkennen?
Baier: Es ist nicht so, dass wir uns grundsätzlich gegen die Pläne stellen. Wir kritisieren die Art und Weise, wie es dazu kommt und wie Studierende von Beginn an strukturell aus diesem Prozess ausgeschlossen wurden. Und wir kritisieren einzelne inhaltliche Details. Grundsätzlich sind wir aber in keiner Weise gegen Reformen, nicht gegen Veränderung. Mir wurde von Mitgliedern des Rektorats vorgeworfen, ich sei konservativ, weil wir uns so kritisch zu den Plänen äußern. Das möchte ich hier mit aller Vehemenz ablehnen, das ist nicht der Fall. Als studentische Interessenvertretung, generell als politische Organisation, ist es vor allem unsere Aufgabe, Problembereiche zu kritisieren und auf bestehende Probleme und Schwierigkeiten hinzuweisen. Das tun wir mit unserer Kommunikation – und dass es dann so wirkt, als fänden wir die ganzen Pläne furchtbar, das lässt sich wahrscheinlich nicht ganz vermeiden.
Die ÖH spricht in der uni:press unter anderem von „Sinnloser Labelpolitik auf Kosten guter Lehre“. Ist solch eine Rhetorik im konstruktiven Austausch angebracht?
Baier: Ich sehe nicht ganz, inwiefern diese Rhetorik den konstruktiven Austausch verhindert. Wir haben immer versucht, uns in diesen Prozess einzubringen. Ich wage also zu behaupten, dass es am konstruktiven Diskurs, oder am Versuch daran, auf unserer Seite nicht gemangelt hat. Das auch obwohl wir an mancher Stelle so eine scharfe Rhetorik genutzt haben. Die uni:press aber auch die sonstige Kommunikation sind Plattformen, um die von uns vertretenen Personen, die Studierenden, zu informieren und ihnen auch ganz klar unsere Haltung zu zeigen. Ich glaube, das funktioniert mittels solcher Rhetorik am besten.
Sehen Sie das auch so?
Lehnert: Nein, nicht immer. Ich verstehe, dass das Mittel sind, um aufzurütteln, um wach zu machen und dann vielleicht auf dem Weg noch besser zueinander zu finden. Aber manchmal sind das eben nur die Schlagzeilen, die gelesen werden, die in den Köpfen bleiben und dann für viel Unruhe sorgen. Wenn in einer Schlagzeile steht, dass sinngemäß unsere Lehre nicht gut oder gar katastrophal ist und dass nur über Strukturen nachgedacht wird und keine gute Lehre gemacht wird, dann kann ich es nicht nachvollziehen, weil ich glaube, die Lehre ist hier schon ziemlich gut. Ich finde auch, dass unsere Zusammenarbeit so anstrengend ist, wie sie manchmal sein muss – und das ist auch gut so. Trotzdem wünsche ich mir, dass die Kommunikation manchmal weniger plakativ ist.
Baier: Dem kann ich mich naturgemäß in keiner Weise anschließen. Dass es plakativ wirkt, kann an mancher Stelle sein, aber wir versuchen schon immer klar zu kommunizieren, was wo passiert. Das ist unsere Aufgabe – und wenn uns vorgeworfen wird, dass durch uns die Universität medial schlecht dasteht, dann würde ich fast behaupten, dass wir unsere Aufgabe richtig machen, weil wir öffentlichkeitswirksam auf bestehende Probleme hinweisen. Unsere Aufgabe ist es nicht, eine PR-Abteilung der Universität zu sein.
Sollte es nicht mehr auf Information gehen als auf Meinung?
Baier: Wir informieren. Das erste, was wir gemacht haben, als diese Pläne kamen, war eine lange E-Mail mit einer Zusammenfassung an die Studierenden auszuschicken. Das haben wir auch im Sommer gemacht, als das erste Strukturkonzept kam, da sich von den Leitungsgremien niemand die Mühe machte, diese Pläne verständlich zusammenzufassen. Wir haben über diesen Sommer auch eine lange Informationskampagne über Social Media gemacht, um zu erklären. Insofern ist Information ganz klar ein Teil unserer Aufgabe, und das machen wir, würde ich behaupten, auch sehr gut und sehr umfassend. Und auf der anderen Seite ist aber auch das Auflehnen, das Kritisieren und das Druckmachen unsere Aufgabe.
Bis auf Zentren und Schwerpunkte werden alle Organe mit dem Wirken der Strukturreform neu der Weisungsberechtigung des Rektorats unterstellt. Wie kann dadurch noch eine demokratische Mitsprache gelebt werden?
Lehnert: So viel anders als bisher ist das gar nicht, in der täglichen Praxis werden alle Entscheidungen gemeinsam und in Diskussionsprozessen getroffen. Es ist beileibe nicht so, dass das Rektorat „durchregiert“, sondern so, dass die Abläufe bei entscheidenden Vorgängen der Universität nach genau definierten Wegen passieren, die primär bottom-up laufen. Letztlich wird durch das Rektorat im Grunde nur eine moderierende Funktion eingenommen. Und umgekehrt, wenn sich das Rektorat etwas überlegt, dann sind das sicher Ideen, die im Rektorat entstehen, aber bei denen die ganze Arbeit an diesen Themen wieder in den anderen Gremien der Universität erfolgt. Insofern sehe ich ehrlich gesagt, auch durch die neuen Änderungen, die im Universitätsgesetz auf uns möglicherweise zukommen werden, keine Gefahr einer Monokratisierung des Rektorats – und ich bin auch ein ausgesprochener Gegner dieser Entwicklung.
Baier: Ich verstehe die Einschätzung zur realen Praxis an unserer Universität und auch die derzeitig gute Entwicklung, wie solche Prozesse funktionieren. Dennoch steht die Weisungsberechtigung des Rektorats über all diese Organe im Organisationsplan – obwohl wir sie nicht drin haben müssten. Das Universitätsgesetz zwingt uns zu keinerlei solcher Regelungen. Das heißt: De facto formell ist das eine starke Monokratisierung des Rektorats als Leitungsorgan und gibt ihm eine immense Macht über alle anderen Organe – auch an den anderen Leitungsorganen, insbesondere dem Senat als demokratisch gewähltem Organ, vorbei. Das sehen wir durchaus kritisch, insbesondere unter dem Aspekt, dass wir das so nicht regeln müssen.
Lehnert: Ich teile den Gedanken, dass Sie das grundsätzlich als Problem sehen. Für mich ist tatsächlich einerseits die gelebte Praxis entscheidend und andererseits ist es für mich sinnvoll, dass ein gewähltes Rektorat auch als Führungsgremium der Universität Entscheidungen treffen muss – das ist ganz klar. Es gibt genug Kontrollen, es kann abgewählt und wiedergewählt werden, und genug Möglichkeiten, zu intervenieren, auch durch die Universität selber. Wir arbeiten nicht in einem luftleeren, monokratischen Raum sondern haben genug Kontrollmechanismen eingebaut, denke ich. Ganz abgesehen davon, wären wir auch unglaublich schlecht beraten, das was wir machen nicht überall zu diskutieren. Wenn wir es nicht täten, wäre unsere Halbwertszeit hier wahrscheinlich eher kurz.
Also ist die demokratische Mitsprache nicht gefährdet?
Lehnert: Die ist definitiv nicht gefährdet.
Baier: Wir erklärt sich dann, dass der Senat zum Beispiel, in diesem Prozess diverse Informationen zu spät oder gar nicht erhalten hat? Dass der Senat, das demokratische Leitungsorgan, in manchen Fragen zu wenig oder gar nicht mit einbezogen wurde? Von der ÖH brauchen wir gar nicht erst anfangen. Inwiefern passt das dann da rein, frage ich mich?
Lehnert: Ich glaube, dass der Senat wirklich alle Unterlagen bekommen hat. Dass er manches vielleicht früher oder mehr gewünscht hätte, das ist eine Sache von gegenseitigem Übereinkommen. Es besteht auch nicht immer das „verbriefte Recht“, dass alles zu einem gewissen Zeitpunkt beim Senat ist. Wir haben, glaube ich, definitiv mehr getan, als wir mussten und andere Rektorate auch tun. Das ist eine Frage der Wahrnehmung. Und unsere Wahrnehmung ist die, dass wir dem Senat die Dinge, die er haben will, alle zur Verfügung gestellt haben. Wir haben mehr zur Verfügung gestellt, als wir mussten – das muss man auch sagen.
Baier: Als studentisches Mitglied im Senat kann ich diese Einschätzung nicht teilen. Es wurden durchaus bewusst auch Informationen nicht gegeben.
„Generell gilt, dass wir ein hohes Maß an Transparenz und Informationspolitik pflegen wollen.“ Diesen Satz haben Sie im PUNKT. Sommersemester 2019 im Interview gesagt. Jetzt gibt es aber doch Kritik an der Kommunikation des Rektorats zum Reform-Vorgehen. Sieht so Transparenz und Information für Sie aus?
Lehnert: Ehrlich gesagt, ja. Man muss eines wirklich sagen: Wir, das Rektorat, sind auch nur Menschen, die rund um die Uhr arbeiten. Das bedeutet eben manchmal auch, dass wir nicht immer die Zeit haben, zu jedem Zeitpunkt alle Gespräche zu führen. Wir haben versucht, das in einem strukturierten Prozess zu machen, in dem wir mit allen beteiligten Fachbereichen und mit der ÖH, zu wenig wahrscheinlich, geredet haben. Und wir werden das auch in Zukunft tun. Wir haben nicht das Gefühl, dass wir der Universität an irgendeiner Stelle eine Information vorenthalten haben. Zusätzlich bieten wir insbesondere denen, die das Gefühl haben, sie werden nicht ausreichend mitgenommen oder sie werden ein Stück weit vernachlässigt, nochmal extra gemeinsame Termine an. Wie gesagt, dass ist sicher immer noch verbesserungsfähig, das glaube ich sofort, aber wir haben nicht das Gefühl, dass wir nicht gesprächsbereit sind und uns nicht mit allen ausreichend hinsetzen.
Können Sie sich vorstellen, warum manche das Gefühl haben, nicht gehört zu werden?
Lehnert: Klar kann ich mir das vorstellen. Ich glaube, das ist kein neues Phänomen, das nur für die Universität Salzburg typisch ist. In jedem sogenannten „Change-Management-Prozess“ sind erst einmal 50 Prozent wenig bereit, den Weg mitzugehen. Das ist ein wirklich gut untersuchtes und ganz normales Phänomen. Da dauert es eine ganze Weile, bis dieser Mitnahme-Prozess oder partizipativer Prozess abgeschlossen ist. Wir haben für das nächste Jahr vor, wenn es auch um die Umsetzung der Strukturen geht, noch einmal die Universitätsöffentlichkeit noch intensiver als bisher mitzunehmen – auch mit professioneller Begleitung.
Also hat es bisher keine Fehler in der Kommunikation gegeben?
Lehnert: Nein, das sage ich nicht. Es hat mit Sicherheit Fehler in der Kommunikation gegeben. Aber wir bitten schlicht und einfach darum, auch anzuerkennen, dass wir versuchen, das so optimal und so gut wie möglich zu machen. Fehler hat es sicher einige gegeben.
Baier: Diese Fehler hat es in der Tat gegeben. Ich finde, die Einschätzung, wir haben unser Bestes gegeben und besser ging es halt nicht, ein bisschen absurd, wenn die ÖH seit Monaten darauf hinweist, dass insbesondere die Studierenden in diesem Prozess mitgenommen werden müssen. Wenn das dann strategisch einfach nicht gemacht wird, dann halte ich diese Einschätzung für einen „Scheuklappenblick“. Es wurde eine Gruppe der Universitätsangehörigen – und zwar die größte Gruppe daraus, ohne die dieser ganze Laden nicht funktionieren würde – von vorne herein ausgeschlossen. Das ist aus unserer Sicht fatal. Solch ein Prozess kann nicht gemacht werden, ohne dass diese größte Gruppe mitgenommen wird. Und das jetzt mit „Naja, da hätte etwas ein bisschen besser laufen können“ zusammenzufassen, das halte ich für verkürzt.
Lehnert: Ich sage immer wieder: Auch bei der besten Kommunikation bleibt immer noch der Eindruck, es sei nicht genug gesprochen worden. Aber die Studierenden waren immer auch dabei, beispielsweise über die Fakultätsräte, in denen sie vertreten sind. Wir haben gesprochen, zig Interviews gegeben. Das Gespräch mit den Studienvertretungen hätte man vielleicht noch früher machen können. Aber Kommunikation ist nicht nur ein Weg in eine Richtung, es ist einer in beide Richtungen. Wenn eine konkrete Frage oder ein Anliegen kommt, sind wir die ersten – vielleicht nicht immer eine Sekunde später, aber doch sehr zeitnah – die darauf reagieren. Und da würde ich mir auch manchmal wünschen, dass nicht nur eine Erwartungshaltung gegenüber dem Rektorat besteht, „informiert und diskutiert mit uns“, sondern dass wir auch direkt angesprochen werden, dann reagieren wir auch.
Baier: Das ist lustig, denn genau das ist passiert. Es gab das lange Positionspapier der ÖH, in dem wir auf das Strukturkonzept aus dem Sommer reagiert haben, darauf kam nicht einmal eine Antwort. Es haben diverse Studienvertretungen Stellungnahmen, Positionspapiere und E-Mails geschrieben, die meisten davon ohne große Reaktion. Es hat Petitionen gegeben, auf die, meines Wissens nach, bis heute nicht reagiert wurde. Und klar, Studierende sind in manchen von diesen Gremien vertreten. Aber all das sind Kollegialorgane, in denen Verschwiegenheitspflicht besteht. Das haben wir Ihnen mehrfach mitgeteilt, das ist das Problem. Und ich würde nicht behaupten, dass von unserer Seite keine Gesprächs- und Diskussionsbereitschaft signalisiert wurde.
Hat es außerhalb von der ÖH, sprich Studienvertreter*innen oder Führungspersonen, Studierende gegeben, die aktiv an die ÖH geschrieben haben, dass sie mehr Informationen wollen?
Baier: Absolut. Es haben sich den ganzen Sommer über und auch bis jetzt immer wieder, fast täglich, Studierende bei uns gemeldet, mit Sorgen, wie es weitergeht. Das Interesse ist da, das Engagement zu handeln ist da. Die Studierenden sind von diesem Prozess betroffen. Dieses Verständnis war, meiner Meinung nach, gerade am Anfang des Prozesses überhaupt nicht gegeben. Mittlerweile sind wird da, glaube ich, ein bisschen zusammengekommen. Aber gerade am Anfang hieß es immer: Naja ach, die Studiengänge bleiben alle gleich, damit sind die Studierenden bedient und wir brauchen mit denen auch nicht mehr reden. Das ist eine grundsätzlich falsche Einschätzung.
Lehnert: Ich nehme das auch so wahr, dass ein Interesse der Studierenden über die bloße Wahrnehmung hinaus, dass das Studium gesichert ist, da ist. Das müssen wir mit Sicherheit noch mehr als bisher bedienen.
Durch die Diskussion rund um die Reform sind andere studentische Anliegen zurückgestellt worden. Hätte sich die ÖH aufgrund der Corona-Krise mehr kümmern müssen?
Baier: Das sehe ich überhaupt nicht so. Die ÖH hat gesetzlich einen recht klar definierten Aufgabenbereich und macht im Normalfall noch sehr viel mehr darüber hinaus. Alles was wir vor dem Strukturprozess begonnen haben, ist auch währenddessen weiter gegangen. Wir haben diverse andere Projekte weiterbearbeitet und zum Teil auch abgeschlossen. Die Vertretungsarbeit in diversen Gremien hat nicht darunter gelitten. Und auch coronatechnisch waren wir eine der Hochschulvertretungen, die am meisten für die Studierenden erreicht hat. Ich würde behaupten, dass wir glücklicherweise Wege gefunden haben, das s trotz dieses ganzen Prozesses, alles andere, was in unser Aufgabenfeld fällt, gut weiterlaufen konnte.
Würden Sie im Nachhinein und nach den Erfahrungen im Prozess wieder gleich vorgehen?
Lehnert: Ja, das würden wir. Wir halten die Reform und auch das Modell, das sich hier entwickelt hat, für sehr sinnvoll. Was nicht bedeutet, dass das Endergebnis nicht auch noch einmal ein Stück anders aussehen kann, als das, was wir jetzt haben. Das ist Teil des Prozesses. Aber wir würden ganz sicher denselben Weg nochmals gehen und stehen dazu. Ich persönlich stehe sehr dazu, dass etwas gemacht werden musste und nur ein reines weiter-so-wie-bisher nicht sinnvoll gewesen wäre.