Der PUNKT

Tatort: Wohnzimmer

Wie lange ist es her, dass ihr ein Brettspiel gespielt habt? In Kindertagen erlebten wir so manch ein Abenteuer zu Tisch. Aber wer sagt, dass Erwachsene nicht auch die Welt vor bösen Mächten retten können?

Es ist Freitagabend. Es schneit schon seit Tagen und Jana will diesen Abend sicher keinen Fuß mehr vor die Tür setzen. Eingehüllt in warme Decken sitzt sie auf der Couch und nippt an einem Orangen-Zimt-Tee. Dann geht plötzlich das Licht aus und es klingelt an der Wohnungstür. Sie schaltet die Taschenlampe an ihrem Smartphone an und geht auf Zehenspitzen zur Wohnungstür. Durch die Gegensprechanlage meldet sich niemand. Als Jana die Tür einen Spaltbreit öffnet, fängt der Lichtkegel ihres Handys einen weißen Umschlag auf der Matte ein. Darauf steht: „An Frau Dietrich.“ Als sie den Brief vorsichtig aufhebt, macht sie blutverschmierte Fingerabdrücke auf dem feuchten Umschlag aus. 

Stopp. Was passiert denn hier? Sicherlich kein blutiges Verbrechen. Wir befinden uns in Salzburg und es ist Winter – da können Schneemassen schon mal einen Stromausfall verursachen. Im Briefumschlag steckt natürlich eine Einladung zum Krimidinner, die Jana ganz eindrucksvoll von einem Freund überbracht wurde. Der Brief ist datiert auf 16. Jänner 1924. Ihr wird mitgeteilt, dass ihre Großtante entführt wurde und sie unverzüglich auf ihr Anwesen in einem kleinen Küstenstädtchen der Grafschaft Kent kommen muss. Sie macht es sich wieder auf der Couch gemütlich und googlet „Klamotten 20er-Jahre“. 

Nicht nur Jana freut sich über eine lange Nacht, in der die*der Entführer*in in die Enge getrieben wird.  Gesellschaftsspiele sind so beliebt wie schon lange nicht mehr. Sowohl Party und Rätselspiele, als auch Kenner*innenspiele sind sehr gefragt. 

Zeitreise

In jungen Jahren standen Brettspiele bei vielen auf der Tagesordnung. Mensch-Ärgere-Dich-Nicht, Pitsch Patsch Pinguin, Uno, DKT, Scotland Yard oder Das verrückte Labyrinth sind nur ein paar Titel, die unzählige Kinder auf spannende Abenteuerreisen mitnahmen. Doch auch für große Kinder gibt es heutzutage eine Fülle an Brett- und Kartenspielen in den unterschiedlichsten Genres und Welten. Wer diesen Winter, so wie Jana, die Couch nicht immer verlassen möchte, lockt am besten Freund*innen mit Spiel, Spaß und Punsch ins warme Wohnzimmer!

Schlimme Dinge am Königshof

Garantie für einen lustigen Abend ist das Kartenspiel Munchkin. Es wird auch als das analoge Pendant von Mario Kart bezeichnet: Dieses Spiel hinterlässt aufgewühlte Gemüter. Gewinnen ist zweitrangig. Die höchste Priorität liegt im Ärgern der anderen Spieler*innen. Drei bis sechs Spieler*innen – auch genannt Munchkins – bauen sich ihre*n kleine*n Kämpfer*in aus verschiedenen Karten und versuchen mit dem Besiegen von Monstern das Gewinnerlevel 10 zu erreichen.

Ebenso müssen sie versuchen, den sogenannten „Schlimmen Dingen“ zu entgehen. Das sind jene Dinge, die passieren, wenn man ein Monster nicht besiegt und die Flucht misslingt. Der Crux der Sache ist, dass die gegnerischen Spieler*innen natürlich alle möglichen Karten aus der Hand spielen, mit denen sie genau das versuchen: Nämlich den*die Kämpfende*n die „Schlimmen Dinge“ an den Hals zu jagen. Das Spiel Munchkin gibt es in allen möglichen Varianten, wie beispielsweise Shakespeare, Star Wars oder Zombies. Es nimmt mit grandiosen Artwork immer das jeweilige „Thema“ auf das Korn. Sehr zu empfehlen ist Munchkin Steampunk: Eine*r schreit garantiert.    

Für heiße Diskussionen kann das Deduction-Game Der Widerstand: Avalon sorgen. Als eine vermeintlich loyale Gruppe von fünf bis zehn Mitglieder des Hofes von König Artus kämpfen die Mitspieler*innen gegen üble Mächte. Gemeinsam müssen sie Aufträge erfüllen. Doch befinden sich unter ihnen die bösen Diener*innen Mordreds, die versuchen werden, die Pläne der Gefolgschaft des Königs zu vereiteln. Ihr müsst herausfinden, wer diese sind. Das ganze Spiel hindurch wird beschuldigt, spekuliert und natürlich gepöbelt – ein Riesenspaß! 

Mord à la Carte

Ein Mord ist geschehen oder eine Tante wurde entführt: Ein Krimidinner kann sehr einfach für Zuhause geplant werden. Im Internet oder in Spielegeschäften gibt es eine Menge verschiedener Krimidinner-Geschichten. In der Spieleschachtel ist alles zu finden, was für einen spannenden Abend gebraucht wird: Rollenkarten, Ereigniskarten und für jeden einen Ablaufplan, der nach und nach erzählt, was geschieht und geschehen ist. So wie Jana, bekommen die Mitspieler*innen im Vorfeld eine Einladung mit der Rollenkarte.

Frau Dietrich, in dessen Rolle Jana schlüpfen wird, ist insgeheim diejenige, die die Tante verschwinden ließ und muss am Abend der Zusammenkunft alles dafür tun, um nicht aufzufliegen. Die*der Organisator*in kann alles planen, ohne dass er*sie selbst etwas von den anderen Rollen erfährt. Er*sie bereitet zuhause ein schmackhaftes Dinner vor und in der Gruppe wird dann währenddessen versucht, das Rätsel zu lüften und im besten Fall am Ende den Bösewicht zu enttarnen. Diese Krimidinners gibt es in den verschiedensten Zeiten und Settings: So wie Jana, kann man in eine vergangene Zeit reisen und mit Smoking oder Kleid einen Mordfall oder eine Entführung aufklären. Eines ist sicher, der oder die Mörder*in isst immer mit am Tisch – und es ist (fast) nie der Gärtner!

In Salzburg gibt es seit einigen Jahren Escape-Rooms. Irgendwann hat man diese aber auch durch. Was tut man dann? Für diese Fälle gibt es glücklicherweise die Exit-Games. Das Prinzip ist gleich: Man muss schnell verschiedene Rätsel lösen, um dem meistens schlimmen Ereignis zu entkommen. Das einmalige Spielerlebnis kannst du allein oder mit bis zu vier anderen Freund*innen erleben. Tipp: Hat man es einmal gespielt, kann man es, so wie die Krimidinner, super weiterschenken. 

Wenn man nicht genug von Kriminalfällen kriegen kann und Lust auf etwas Komplexeres hast, dann ist das kooperative Ermittler-Spiel Chronicles of Crime ein sehr heißer Tipp. Bis zu vier Spieler*innen agieren als Ermittler*innen, die in London oftmals schaurige Fälle aufklären müssen. Das Spiel kann dann schonmal bis zu zwei Stunden dauern. Das Innovative an dem Spiel ist die App-Unterstützung, die ein ganz neues Niveau an Storytelling ermöglicht. Mittels der App und einer VR-Brille kann man sich an Tatorten umsehen und versuchen herauszufinden, was passiert ist. Zeug*innen und Verdächtige müssen verhört werden, die durch die App antworten. Neugierig geworden? Dann ab nach London – im Hyde Park wartet eine unschöne Überraschung. 

Abstecher in eine andere Welt

Verlassen wir einfach mal Janas Wohnzimmer bzw. die Welt und begeben uns zum Mars. Der will beim Spiel Terraforming Mars besiedelt werden. Als Konzern versuchen bis zu fünf Kontrahent*innen bei diesem sehr ausgeklügelten Spiel die Vorherrschaft auf dem noch unbesiedelten Planeten zu erringen. Ziel des Spiels ist es, die Temperatur und den Sauerstoff zu erhöhen, Meere zu generieren, um letztlich dem Pflanzen- und Tierreich die Möglichkeit zu bieten, sich zu entwickeln. Es gewinnt der Konzern, der am meisten ermöglicht hat. Es macht ungeheuer Spaß, da du verschiedenste Möglichkeiten hast, deinen Konzern zu führen. Kapitalismus meets Mars sozusagen.

Bei jeder Spieleempfehlung dürfen Zombies nicht fehlen: In Zombicide versucht man mit bis zu fünf Mitüberlebenden der Zombie-Apokalypse zu trotzen und weiterhin zu überleben. Entweder man schafft es –  oder, wenn die Zombies besonders hartnäckig sind, stirbt die Gruppe nach knapp einer Stunde hartem Überlebenskampf. Manchmal kann es aber auch ein paar mehr Stunden dauern – und der Tod ist dann noch genau so nah, wie nach 45 Minuten. Zombicide ist ein sehr lustiges und weniger komplexes kooperatives Adventure-Game, bei dem man viel Zeit damit verbringt, Strategien zu entwickeln und die Zombie-Horden zu eliminieren. 

Zombicide: Zombies stehen vor der Tür (Credits: Wellmann)

Schauplatz: Salzburg 

Vielleicht sitzt du ja gerade auf deinem Sofa und bist neugierig geworden. In Salzburg gibt es einen kleinen Laden in der Nähe vom Hauptbahnhof, der vollgestopft ist mit Brettspielen, Regelbüchern, Comics und natürlich Menschen in allen Altersgruppen, die ein gemeinsames Hobby eint. Jede Woche treffen sich im P3 Comix immer Interessierte und Hobby-Abenteurer*innen. Es ist praktisch nicht möglich, ohne ein Spiel den Laden zu verlassen. Auch im Gamers Finest, einem Spielecafé mit mehreren Standorten in Salzburg, ist immer was los. Zum Vernetzen gibt es auf Facebook und Whatsapp Gruppen – Spielen will eigentlich immer jemand. 

Nun hast du die Wahl: In Avalon hofft König Artus auf deine Hilfe, ein Mörder versetzt London in Angst und Schrecken und der einsame Mars wartet auf deine Eroberung. Das ist nur ein kleiner Bruchteil an Möglichkeiten, die du hast. Das Schöne an Brettspielen: Es ist alles möglich!

Text und Titelfoto: Michaela Jahn
Dieser Artikel ist im PUNKT. 01/20 erschienen.

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